Wolfgang Lüttgens
Texte Edith Decker-Phillips
"Schichten"
Einführungsvortrag zur Ausstellung Schichten von Wolfgang Lüttgens im Kunstverein Region Heinsberg, 2002


Wolfgang Lüttgens´Ausstellung im Kunstverein Region Heinsberg zeigt eine Serie von Schwarzweißfotografien. Sie sind das Ergebnis einer gut einjährigen Arbeit. Ihr Thema ist da Künstleratelier. Wie bei allen fotografischen Arbeiten von Wolfgang Lüttgens erschließt sich das Abgebildete nicht auf Anhieb. Erst durch genaues Hinsehen entdeck man identifizierbare
Gegenstände und Raumsituationen. Manchmal wird man aber auch in die Irre geführt. Der vermeintliche Gegenstand ist dann eine Form, die sich zufällig ergeben hat.

"Schichten" ist der trefffende Titel der Ausstellung, denn jede Arbeit setzt sich aus mehreren Aufnahmen zusammen. Was vor fünf Jahren in mühevoller und auch frustrierender Dunkelkammer begann, erledigt der Künstler heute mit Hilfe des Computers. Die digitale Bildbearbeitung eröffnet diesem Werk neue und präzisere Möglichkeiten der Gestaltung als die Mehrfachbelichtungen in der Dunkelkammer. Für jede Arbeit werden 6 bis 10 Schwarzweisnegative eingescannt und anschliessend in positiver Ansicht bearbeitet. Durch das Ineinanderkopieren der Aufnahmen entsteht nach und nach das neue Bild.

Die Anmutung dieser Serie der Atelierbilder ist grafisch. Man fühlt sich an konstruktivistische Formen erinnert, zum Beispiel an Laszlo Moholy-Nagys Lichtkinetik. In ihrer Fragmentierung ergeben die Raumansichten ein abstraktes Bild, das sich weitgehend von seinem Ursprung in der Realität entfernt hat. Über das visuelle Abtasten der Oberfläche kommt ein Prozeß des Suchen und Findens in Gang. Man sieht die Bildsegmente jetzt als dreidimensional ineinander verschachtelte Lichträume. Inhalt und Form sind bei dieser Serie verschieden Dinge. Die Fotos der Künstlerwerkstatt werden zugunsten des abstrakten Bildes bis zur Unkenntlichkeit zerstückelt, doch sie lösen sich nie vollständig auf. Vielmehr ziehen sie den Blick auf sich und vermögen das Auge eine ganze Weile zu beschäftigen.

Mit seinen Arbeiten stellt Wolfgang Lüttgens hohe Anforderungen an unser Sehvermögen. Nicht im Sinne von optischen Täuschungen oder inhaltlichen Rätselbildern. Wir müssen diesen Arbeiten Zeit und Aufmerksamkeit widmen, dafür tragen sie aber zur Schärfung unserer Wahrnehmung und Sensibilisierung bei.

Wolfgang Lüttgens ist kein Fotograf. Doch wie für viele andere Maler und Zeichner hat sich die Fotografie mit ihren heutigen Möglichkeiten als das fruchtbarere Medium erwiesen. Auf diese Weise kann er -wie er es selbst formuliert - Auflösung und Klarheit zugleich darstellen. Mit seinen Arbeiten führt er das Foto wie auch unsere Wahrnehmung an den Rande des Möglichen.
Wir sehen eine Abstraktion der Realität und haben die Wahl, was wir erkennen wollen. Diesen Vorgang kann man letztendlich als Methapher für unsere Wahrnehmung der Realität im allgemeinen sehen- denn nichts ist schwieriger als die Dinge so zu sehen wie sie sind.



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